Ein scheinbar einfaches Haus in einer ganz normalen japanischen Vorstadtsiedlung. Für jeden, der das Gemäuer betritt, entwickelt sich der Besuch allerdings zu einem
furchtbaren Alptraum. Vor Jahren hat hier ein schreckliches Verbrechen stattgefunden und auch Jahre später wird jeder Besucher damit auf grausige Weise konfrontiert.
Das muss auch die junge Sozialarbeiterin Rika am eigenen Leib erfahren, als sie der dort lebenden Familie einen Hausbesuch abstattet.
Während sie sich zunächst um die etwas seltsame Großmutter kümmert, die sich allein im Haus aufhält, hört sie aus dem oberen Bereich plötzlich ein merkwürdiges
Geräusch. In einem der Zimmer steht sie plötzlich vor einem mit Klebeband versiegelten Wandschrank. Neugierig öffnet sie den Schrank und ihr springt eine schwarze
Katze entgegen. Erleichtert will Rika wieder nach unten gehen, doch da hört sie ein weiteres seltsames Geräusch, dem sie ebenfalls nachgeht. Plötzlich aber sieht sie
sich mit etwas ganz grauenhaften konfrontiert, das sie und alle weiteren Besucher des Hauses ins Unheil stürzen wird.
Hier ist nun der Film, der das japanische Geisterkino nach längerer Durststrecke wieder auf seinen angestammten Spitzenplatz zurückführen sollte. Der Wirbel, der im
Vorfeld um Ju-On betrieben wurde, war enorm und die Erwartungen an Shimizu Takashis zweiten Kinofilm, nach dem eher durchschnittlichen Tomie: Re-birth, dementsprechend hoch.
Schon während seiner Zeit als Regisseur von DTV-Produktionen erwarb sich Shimizu den Ruf eines ausgemachten Genrespezialisten. Vor allem seine beiden Ju-On Filme, seinerzeit zwei sehr passable Videohits und wie es der Name schon andeutet, die Vorlage für diesen
gleichnamigen Kinofilm, waren dafür verantwortlich, dass er heute als die neue Hoffnung am japanischen Horrorhimmel gilt. Dieser ganze Hype bescherte dem Film
dann auch entsprechend hohen Zuspruch an den Kinokassen, so dass der Regisseur inzwischen schon eine weitere Fortsetzung abgedreht hat. Darüber hinaus hat sich
die Horrorfilmlegende Sam Raimi für gutes Geld die Remakerechte an dem Stoff gesichert, den übrigens wiederum Shimizu in den USA verfilmen wird. In finanzieller
Hinsicht hat Ju-On, die in ihn gesetzten Erwartungen also zweifelsfrei erfüllt, doch stimmt es auch mit der Qualität?
Beim nunmehr dritten Vertreter im Bunde wird leider recht schnell deutlich, dass die Thematik mittlerweile doch schon etwas abgegriffen ist. Für sich genommen ist der
episodenhafte Charakter des Drehbuchs sicherlich keine schlechte Idee, aufgrund der beiden nahezu identischen DTV-Vorgänger aber absolut keine Offenbarung
mehr. In erster Linie lässt sich das dadurch erklären, dass sich Shimizu lediglich darauf beschränkt, den Großteil seiner Ideen aus den Vorgängern zu recyceln. Neue
Elemente hat das Drehbuch kaum zu bieten, so dass von einer Weiterentwicklung der Serie mit Sicherheit nicht die Rede sein kann. Folgerichtig sorgt das natürlich auch
dafür, dass sich der Überraschungsfaktor bei Kenntnis der beiden Vorgänger in sehr überschaubaren Grenzen hält.
So ist die Geschichte nun alles andere als ein wirklicher Überflieger. Zahlreiche gravierende Drehbuchmängel führen dazu, dass es Ju-On inhaltlich kaum gelingt, sich
merklich vom Genredurchschnitt abzuheben. Obwohl die einzelnen Episoden durchaus in einem erkennbaren Kontext stehen, sind sie zusammengenommen doch weit
davon entfernt ein rundes Gesamtbild abzugeben. Ein tieferer Sinn hinter dem ganzen Wirrwarr will sich auch am Schluss einfach nicht erschließen. Das größte Problem
ist dabei, dass die Geschichte nach der ersten Episode praktisch vollständig erzählt ist. Was danach folgt, sind Wiederholungen ein und desselben inhaltlichen
Schemas. Wieder und wieder wird man mit einem nahezu identischen Handlungsablauf konfrontiert, so dass zu keinem Zeitpunkt der Eindruck entsteht, dass Ju-On
zielgerichtet auf einen großen Höhepunkt hinarbeitet. Da kann der Film letztendlich noch so gruselig sein, es mangelt dem Durcheinander von Episoden einfach an einer
gewisse Form von inhaltlicher Entwicklung. Ju-On lässt jede Art von nachvollziehbarer Struktur vermissen und funktioniert auf dramaturgischer Ebene letztendlich nur
mangelhaft. Bei einer billigen Videoproduktion lässt sich so etwas sicherlich noch verzeihen, bei einem großangelegten Kinofilm allerdings nicht.
Ein kontinuierlicher Spannungsbogen kann sich dadurch unmöglich entwickeln. So muss sich Shimizu einzig und allein auf die Wirkung seiner Schockeffekte verlassen.
Obwohl er seine Vorgänger in dieser Hinsicht ebenfalls gnadenlos ausschlachtet, funktioniert Ju-On auf dieser Ebene einfach ausgezeichnet. In den beiden
Videoproduktionen hatte er schon deutlich bewiesen, dass er großes Talent besitzt, schockreiche Momente zu kreieren und das kann er auch hier wieder voll
ausspielen. Nicht zuletzt wegen des fabelhaften Sounddesigns, gelingt es ihm wieder und wieder dem Zuschauer so richtig das Gruseln zu lehren. In den besten
Momenten geht das mit einer düsteren und bedrohlichen Atmosphäre einher, die den Betrachter ein ums andere Mal erschaudern lässt. Sehr beachtlich ist auch die
Menge an unheimlichen Szenen, die Ju-On auf den Zuschauer einprasseln lässt. An Momente des entspannten Zurücklehnens ist dabei kaum zu denken.
Leider fühlte sich Shimizu im Metier des Drehbuchschreibens scheinbar nicht annähernd so sicher, wie das bei der Inszenierung der Schocksequenzen der Fall war, so
dass Ju-On vom erhofften Paukenschlag, mit dem das japanische Genrekino wieder zu ganz großer Form anlaufen sollte, noch sehr weit entfernt ist. Letztendlich sorgt
nur sein Händchen für effektiven Horror dafür, dass der Film über weite Strecken einen unterhaltsamen Eindruck hinterlässt. Bei all den Vorschußlorbeeren ist das unterm
Strich aber doch ein bisschen wenig.
(S.G.)
- Der Ring Virus - Das neue Phantastische Kino aus Japan
- Vorgänger:  Ju-On
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