Alles beginnt damit, dass sich der junge Programmierer Taguchi praktisch vor den Augen seiner Freundin Michi in seinem Appartement erhängt. Seine Freunde
glauben allerdings, dass hinter dem Selbstmord weit mehr als nur "normale" Depressionen stecken müssen. Als sie die Disk, an der Taguchi als letztes gearbeitet hat,
untersuchen, gelangen sie auf eine mysteriöse Homepage, die verstörendes zutage fördert.
Etwa zur gleichen Zeit startet der PC-Neuling Kawashima seinen ersten Versuch sich ins Internet einzuwählen. Auch er landet dabei sofort auf einer unheimlichen
Website, die ihm erschreckendes anzubieten hat. Darauf beendet er sofort all seine Versuche sich weiter mit der neuen Technologie anzufreunden. In der selben Nacht
fährt der PC allerdings wie von Geisterhand gesteuert wieder hoch und öffnet die mysteriöse Website. Davon geweckt und ziemlich verstört zerlegt er seinen Computer
fast in seine Einzelteile. Am nächsten Morgen sucht Kawashima an seiner Uni die Hilfe der jungen IT-Studentin Harue, die zunächst an einen Computervirus oder Hacker
glaubt. Doch als sie sich näher damit beschäftigt erkennt sie, dass wesentlich schlimmeres dahinterstecken muss.
Während im ganzen Land immer mehr Menschen als vermisst gemeldet werden und die Selbstmordrate erschreckende Ausmaße annimmt, gelangen überall immer
mehr Menschen auf diese Homepage. Dort werden sie mit entsetzlichen Bildern und Einblendungen konfrontiert und entwickeln nach und nach sehr seltsame
Verhaltensweisen.
Kurosawa Kyoshi gehört zu den wenigen Regisseuren denen es fast
immer gelingt, sich elegant auf dem
hauchdünnen Pfad von Kunst und Kommerz zu bewegen. Mit
Kairo aka Pulse beweist er nun ein weiteres Mal, daß intelligentes und spannendes Horrorkino durchaus eine Botschaft vertragen
kann.
Auf den ersten Blick läßt sich bei Kurosawas neuestem Werk allerdings feststellen, daß der große Einfluß von The
Ring auf den neuen japanischen Horrorfilm, auch an
seinem Schaffen nicht spurlos vorübergegangen ist. Doch im Gegensatz zu vielen anderen Genrefilmen der letzten Jahre kommt
man nie in Versuchung, Kairo als
plumpen Klon zu bezeichnen, der sich lediglich den großen Reibach zum Ziel gesetzt hat. Die zahlreichen Parallelen zwischen
seinem und Nakatas Film bleiben aber
dennoch unübersehbar. Wie in The Ring transportiert sich der Horror hier
über die modernen Massenmedien. War
es seinerzeit ein Videotape, das tiefes Grauen
verbreitete, geht es bei Kurosawa allerdings noch wesentlich moderner zu, in dem er das Internet als Hort des Bösen
aufmarschieren läßt. Dieses Medium bietet
natürlich noch ungleich mehr Möglichkeiten, um die Protagonisten und natürlich den Zuschauer dem größtmöglichen Terror
auszusetzen. Neben einigen unheimlichen
bis richtig verstörenden Videosequenzen entwickelt sich der Grusel aber auch hier vor allem aus einer spannungsreich
konstruierten Geschichte, der es in weiten Teilen
hervorragend gelingt effekthaschende Momente außen vor zu lassen.
Der elementare Unterschied zwischen diesen beiden außerordentlich gelungenen Genreproduktionen ist dann auch auf eben
dieser inhaltlichen Ebene auszumachen.
Denn trotz der schon angesprochenen Gemeinsamkeiten, könnten die Filme hier verschiedener kaum sein. War The
Ring nicht mehr als "nur" ein kleiner Horrorfilm,
angetreten mit dem einzigen Ziel, das Publikum mal wieder so richtig erschaudern zu lassen, geht Kairo dabei einen großen Schritt
weiter. Kurosawa wäre auch mit
Sicherheit nicht er selbst, wenn er sich nur mit vordergründigem Horrorkino zufriedengeben würde. Vielmehr entwickelt er aus der
Internet-Thematik eine Allegorie auf die
durch die Massenmedien erzeugte Vereinsamung des einzelnen Individuums. Eine Thematik, die Kairo, von der ersten bis zur
letzten Minute, wie ein roter Faden
durchzieht.
Einige werden dem Film in diesem Zusammenhang wahrscheinlich vorwerfen, daß er sich mit dem wie und warum der Geschichte
zu keinem Zeitpunkt wirklich
auseinandersetzt. Das Kairo, Kurosawa typisch, aber deutlich mehr Fragen aufwirft als Antworten gibt, ist natürlich beabsichtigt.
Fehlende Erklärungen zu den
übernatürlichen Vorgängen, auf die der Zuschauer zu jeder Zeit vergebens wartet, zwingen ihn letztendlich nur dazu, sich mit der
den Film unterschwellig begleitenden
Thematik auseinanderzusetzen. Für eine Big Budget Produktion wie Kairo, ist dies ein bemerkenswerter Aspekt,
den man dem Regisseur nicht hoch
genug anrechnen kann.
Doch nicht nur inhaltlich gehört diese Produktion zu den außergewöhnlichsten Genrewerken der letzten Jahre. Auch formal ist Kairo
bestechend umgesetzt. Weder die
Kameraführung, noch Sound und Licht geben hier irgendeinen Anlaß zur Kritik. Im Gegensatz zu Kurosawas früheren Arbeiten läßt
das stattliche Budget sogar Platz für
einige hervorragend umgesetzte Digitaleffekte, die sehr pointiert, aber gerade dadurch sehr effektiv, eingesetzt wurden. Im
Zusammenspiel mit den vielen ruhigen und
geradezu stoischen Momenten wird Kairo so zu einem unglaublich düsteren und deprimierenden Werk, das von Minute zu Minute
immer verstörender und auswegloser
zu werden droht. Die Sprache der Bilder ordnet sich diesem Verlauf konsequent unter. Auch sie wird mit der Zeit immer kühler und
unwirklicher, um den Film
schlußendlich in einem fast schon apokalyptischen Finale gipfeln zu lassen. Obwohl Kurosawa dem Zuschauer dann zum Schluß
zumindest einen kleinen Rettungsanker
in Form eines Hoffnungsschimmers zuwirft, hinterläßt Kairo doch in letzter Konsequenz einen hilflosen und völlig konsternierten
Betrachter, der das eben gesehene so
schnell nicht verarbeiten wird.
Kairo ist ruhiges und wirklich großartiges Genrekino, das jederzeit als stimmungsvolles Ganzes zu überzeugen vermag. Wer
Kurosawas bisherige Filme wie Cure oder
Charisma mochte, der wird wahrscheinlich auch diesen Film innig in sein Herz schließen.
(S.G.)
- Der Ring Virus - Das neue Phantastische Kino aus Japan
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