Der
John Carpenter
aus Japan

Ein Interview mit

 

 

 

 

 

Der 42jährige japanische Regisseur Tsuruta Norio konnte sich durch seine beiden Filme RING 0: BIRTHDAY und KAKASHI in den letzten zwei Jahren auch außerhalb Japans einen Ruf als talentierter Genrefilmer erwerben.

Tsuruta NorioIn Japan gilt er allerdings nicht erst seit gestern als feste Größe im Bereich des Gruselfilms. Seit 1985 hat er es auf die stattliche Anzahl von zwanzig Regiearbeiten gebracht, die zumeist im Low Budget Sektor angesiedelt waren, und ihm in seiner Heimat die Bezeichnung "John Carpenter Japans" einbrachten. Sicherlich erreichen seine Filme kaum die Qualität der besten Arbeiten des Amerikaners und sind auch nicht annähernd so stilprägend, doch sein Einfluss auf das heimische Genrekino ist nicht von der Hand zu weisen. Mit seinen zahlreichen Regiearbeiten gelang es Tsuruta jedenfalls, dem in den 90er Jahren daniederliegenden japanischen Geisterfilm, wieder ein wenig auf die Beine zu helfen.

Bis auf wenige Ausnahmen handelt es sich bei diesen Filmen um die in Japan so beliebten Omnibusstreifen, die ihre Veröffentlichung direkt auf Video oder über das Fernsehen erfahren. Grund genug sich hier einmal über diese außerhalb Nippons gänzlich unbekannten Streifen des talentierten Genreregisseurs zu erkundigen.

Schon vor dem Interview erwies sich Tsuruta Norio als sehr sympathischer Zeitgenosse, der über die Interviewanfrage eines Europäers freudig berührt war und natürlich besonders darüber, dass ein Teil seiner Filme, wenn auch auf Umwegen, bis nach Europa vorgedrungen ist.

 

CFE: Erzählen sie uns doch bitte zuerst etwas zu ihrer Person und über ihren Einstieg ins Filmgeschäft.

TN: Zuallererst möchte ich einmal sagen, dass es mich sehr ehrt, ausgerechnet aus dem entfernten Deutschland eine Interviewanfrage erhalten zu haben.

Was meinen Werdegang betrifft, muss ich ganz ehrlich sagen, dass ich mich eigentlich schon zu Schulzeiten damit abgefunden hatte, dass mein großer Traum Regisseur zu werden, wohl nicht in Erfüllung gehen sollte. Nachdem ich mein Studium 1980 abgeschlossen hatte, arbeitete ich zuerst in der Marketingabteilung einer kleinen Firma, die sich auf den Vertrieb von ausländischen Filmen in Japan spezialisiert hatte. Das war auch der Zeitpunkt, wo ich erstmals mit John Carpenters DARK STAR in Berührung kam und übrigens auch mit der deutschen Komödie DD (DIDI). Den Namen des Hauptdarstellers (Anm.: Dieter Hallervorden) habe ich allerdings nicht mehr in Erinnerung.

John Carpenters Film wurde damals bekanntlich mit minimalen finanziellem Aufwand realisiert und hier in Japan dann direkt auf Video vermarktet. Als dieses neue Medium in den Achtziger Jahren einen wahren Boom erlebte, sah ich nun doch meine Chance kommen, meinen Lebenstraum in Erfüllung gehen zu lassen. Ich drehte also meinen ersten eigenen Videofilm (Anm.: TONERIKO [1985]) und bot ihn gleich meinem Arbeitgeber zur direkten Veröffentlichung auf Video an. Der war daran aber überhaupt nicht interessiert und wollte sich weiterhin nur auf den Vertrieb von ausländischen Filmen beschränken.

Diese Absage nahm ich zum Anlass meinen Job zu kündigen, um mich kurzerhand selbständig zu machen. So konnte ich endlich völlig unabhängig arbeiten, und meine zukünftigen Filme vom Planungsstadium an, ohne Einfluss von Dritten, nach eigenen Vorstellungen entwickeln. Ich unterbreitete meinen Plan, solch kleine Produktionen mit geringem Budget speziell für den Erwachsenenmarkt zu realisieren, einem Produzenten, der von dieser Idee sehr angetan war. Das war 1990 und der eigentliche Beginn meiner Karriere im Filmbusiness.

CFE: Warum drehen sie speziell Horrorfilme?

TN: Schon von Kindesbeinen an, bin ich ein großer Verehrer des klassischen japanischen Gruselfilms. Als ich in den Neunzigern meine ersten professionellen Filme realisierte, befand sich dieses Genre allerdings in keinem guten Zustand und versank in den selbst geschaffenen Klischees.

Bis in die Sechziger hinein war das völlig anders. Der traditionelle Geisterfilm (Kaidan-eiga) konnte große Erfolge für sich verbuchen und war in Japan ungemein populär. Als klassische Beispiele seien hier nur YOTSUYA-KAIDAN (Anm.: Regie Toyota Shirou [1959]), BOTAN DOUROU (Anm.: Regie Yamamoto Satsuo [1968]) und natürlich Kobayashi Masakis KAIDAN aka KWAIDAN [1964] genannt. In den Siebzigern wurde es aber immer schwieriger Filme in diesem Stil zu realisieren. Ganz besonders nach dem phänomenalen Erfolg von THE EXORCIST, der auch in Japan ein absoluter Kassenschlager war. Von da an wurden die heimischen Produktionen fast völlig von ausländischen, vorwiegend aus den USA stammenden, Horrorfilmen von den Leinwänden verdrängt. Diese völlig neue Art von Genrefilm faszinierte die japanischen Kinobesucher, so dass die Geisterfilme immer mehr an Reiz für das Publikum verloren.

Mitte der Achtziger, als der Videomarkt immer bedeutendere Ausmaße annahm, entstanden dann wieder viele einheimische Produktionen, darunter auch einige Horrorfilme. Natürlich war ich darüber zunächst einmal sehr erfreut. Doch für meinen Geschmack waren diese Filme viel zu stark vom amerikanischen Splatterkino beeinflusst und gingen allesamt in Richtung FRIDAY THE 13TH oder George A. Romeros DAWN OF THE DEAD. Darüber war ich sehr enttäuscht, da all diese Produktionen mit den typischen japanischen Geistergeschichten nicht mehr viel zu tun hatten.

Als ich dann HONTONI ATTA KOWAI HANASHI inszenierte, war dies seit langer Zeit wieder einmal ein traditioneller Gruselfilm, dessen Originalvorlage übrigens auf einem Comic basierte. HONTONI ATTA KOWAI HANASHI würde ich auch als meinen eigentlichen Debütfilm bezeichnen. Obwohl der Film ein voller Erfolg auf dem Videomarkt war, gelang es mir damit nicht, den traditionellen japanischen Gruselfilm wiederzubeleben. Allerdings wurde dem Film im Allgemeinen recht große Aufmerksamkeit zuteil, so dass ich mich entschloss genau in diesem Stile weiterzumachen, damit es mir vielleicht mit meinen folgenden Arbeiten gelänge, dem Geisterfilm neue Impulse zu verleihen. Mein Vorbild war in dieser Hinsicht ohne Frage John Carpenter, den ich bis heute sehr verehre.

Da meine Bemühungen für dieses Genre hier in Japan nicht nur Früchte tragen, bin ich um so erfreuter, wenn meine Filme auch bei Zuschauern im Ausland einen gewissen Anklang finden.

 


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