Die junge Yan hat schwerwiegende psychische Probleme und wird von Geistererscheinungen geplagt. Der Psychologe Jim nimmt sie deshalb in Behandlung. Fest
davon überzeugt, dass die Geister nur in ihrer Einbildung bestehen, versucht er nun auch seine Patientin davon zu überzeugen.
Während dieser vielen Sitzungen verliebt sich Yan in ihren attraktiven Doktor, der sie allerdings zunächst zurückweist. Als sich dann jedoch ein Behandlungserfolg
einstellt, ändert er seine Meinung sofort und die beiden werden ein Paar. Ganz plötzlich ist es aber Jim, der von Erscheinungen aus dem Reich der Toten heimgesucht
wird. Die Hilfsangebote von Yan und seinen wenigen Freunden weist der fest an irdische Dinge glaubende Psychologe allerdings sehr erbost zurück. Da die Visionen
mit der Zeit immer schlimmer werden, droht seine Beziehung zu Yan durch die Veränderungen in seinem Verhalten langsam aber sicher zu zerbrechen.
Jim, der niemals an Übernatürliches geglaubt hat, bekommt nun große Selbstzweifel. Schließlich sieht er nur den Ausweg sich selbst zu therapieren und greift zu
radikalen Mitteln, um sich die Geistererscheinungen ein für alle mal auszutreiben.
Um das kantonesische Horrorkino ist es schon seit Jahren alles andere als gut bestellt. Da grenzt es fast schon an ein Wunder, dass es innerhalb weniger Monate
gleich zwei Produktionen gelungenen ist, wieder einmal für hochklassigen Grusel zu sorgen. Neben dem wirklich fabelhaften The Eye der Gebrüder Pang, ist hier die
Rede von Leong Po Chi´s Inner Senses. Leong, der vor zwei Jahren schon mit dem schweißtreibenden Actionthriller Double Tap für Aufsehen sorgen konnte, gelingt
hier ein weiterer mitreißender Film, der nur im Schlussdrittel kleinere Mängel aufzuweisen hat.
Inhaltlich lässt sich, wie derzeit wohl unumgänglich, auch bei Inner Senses eine Nähe zu Hits wie The Sixth Sense und Nakata Hideo´s The Ring nicht bestreiten. Doch im
Gegensatz zu vielen anderen Streifen mit dieser Tendenz, hat Inner Senses einen entscheidenden Vorteil in Form eines Drehbuchs, das jederzeit versucht ist, eine
spannende Geschichte zu erzählen. Insgesamt mit genügend Tiefgang ausgestattet, drängt sich der Vorwurf eines plumpen Plagiats so erst gar nicht auf.
Für einen kantonesischen Genrefilm recht ungewöhnlich, bietet das Drehbuch vielschichtige Charakterzeichnungen, die in eine sehr komplexe Handlung eingebettet
wurden. Den drei Autoren Derek Yee, Yeung Sin Ling und Leong Po Chi ist es dabei augenscheinlich gelungen, gekonnt die Waage zwischen ernstem Drama und
Horrorfilm zu halten. Sie spielen dabei ganz vortrefflich mit der Erwartungshaltung des Zuschauers, den sie mit zahlreichen unvorhergesehen Wendungen immer wieder
in die Irre führen. Bis zum Ende wird so nicht ganz klar, ob sich die Akteure ihre Geistererscheinungen nur einbilden oder ob sie wirklich von Besuchern aus dem Reich
der Toten heimgesucht werden. Die Folge daraus ist, dass Inner Senses gerade im Bereich Spannung einiges zu bieten hat und er so kaum berechenbar wird.
Seine besten Momente erreicht der Film allerdings immer dann, wenn das Drehbuch aus dem typischen Horrorschemata ausbricht und sich im Bereich eines recht
feinfühligen Dramas bewegt. Diese Szenen funktionieren zu weiten Teilen ausgesprochen gut und Inner Senses erhält dadurch eine relativ eigenständige Note, die ihn
himmelweit über die sonstigen Genreausstöße aus Hongkong hebt. Das der Film in den melodramatischen Momenten fast immer glaubhaft bleibt, verdankt er dabei
auch seinen beiden prächtig aufspielenden Hauptdarstellern. Leslie Cheung hat nicht zuletzt in Double Tap
bewiesen, dass er zu einem hervorragenden Schauspieler
gereift ist. In Inner Senses liefert er, trotz der ein oder anderen übertriebenen Gestik, eine ähnlich intensive Leistung ab. Aber auch sein weiblicher Gegenpart Karena Lam
kann in ihrer ersten Kinorolle voll und ganz überzeugen und besticht in ihrer Darstellung der psychisch labilen jungen Frau.
Neben den Darstellern und dem gelungenen Drehbuch sind es aber auch Leong´s formale Qualitäten, die den Film sehr sehenswert werden lassen. Seine fabelhafte
visuelle Umsetzung sorgt für eine durchweg düstere und unangenehme Stimmung, die Inner Senses zu einem atmosphärischen Genrebeitrag macht. Die
Horrorelemente weiß der Regisseur dabei zunächst auf recht subtile Weise zu erzeugen und er setzt erst im Schlussdrittel vermehrt auf gut getimte Schockeffekte.
Einen kleinen Wermutstropfen gibt es dann letztendlich doch noch in Form der Auflösung zu beklagen. Das zuckersüße Finale wirkt schon ein wenig aufgesetzt. Von
diesem Fauxpas aber mal abgesehen, bietet Inner Senses überaus gelungene Gruselunterhaltung, die durch eine hochklassige formale Umsetzung zu überzeugen
weiß. Immer ein wenig intelligenter als der große Rest des Genres geht der Film unter die Haut und versteht es den Zuschauer jederzeit zu fesseln.
(S.G.)
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