Erst nach seinem Tode erfährt die junge Nami den Namen ihres leiblichen Vaters und bekommt als Erbe sein altes Landhaus
zugesprochen. Zusammen mit ihrem
Exfreund Kohei, einem Computerspieledesigner, der sich in dem alten Haus Inspiration für seine zukünftige Arbeit erhofft, macht sie
sich auf, um ihr neues Eigentum das
erste Mal zu besichtigen, und um dort mehr über ihre Familie und die eigene Vergangenheit zu erfahren.
Schon kurz nach der Ankunft stellt sich heraus, daß ihr verstorbener Vater nicht irgendwer, sondern der berühmte japanische Maler
Kaizawa Soichi war, der mit seinen
verstörenden Bilder über viele Jahre für großes Aufsehen gesorgt hat. Darüber hinaus entpuppt sich das Haus als unheimlich
gruseliges Gemäuer, daß nicht gerade
einen einladenden Eindruck auf die beiden jungen Leute macht. Als man in der Nacht plötzlich eine Leiche in der Küche entdeckt,
versuchen Nami und Kohei zu flüchten,
doch ein schweres Unwetter macht ihnen einen Strich durch die Rechnung.
Also nehmen sie all ihren Mut zusammen und beginnen das Haus von oben bis unten zu erkunden. Bereits nach kurzer Zeit
bemerken sie allerdings, daß sie nicht die
einzigen Personen sind, die sich dort aufhalten und sehen sich schon bald blankem Terror ausgesetzt. Während Nami von einem
Unbekannten angegriffen wird,
entdeckt Kohei unglaublich erschütternde Tatsachen über die Geschichte von Nami´s Familie.
Seit dem Erfolg von The Ring steht der japanische Horrorfilm nicht nur in
seinem Heimatland wieder hoch im Kurs.
Doch qualitativ lassen sich schon seit geraumer Zeit gewisse Abnutzungserscheinungen nicht mehr verbergen. Sieht man dann
einmal von wenigen Ausnahmen wie Audition, Kairo oder
Uzumaki ab, gibt es in jüngster Zeit auch aus Japan kaum noch erwähnenswertes zu entdecken, da
Regisseure wie Produzenten
fast ausnahmslos darauf versucht sind, das einmal bewährte Erfolgsrezept lediglich leicht variiert wieder aufzuköcheln.
Einer der wenigen Genrefilme, dem es gelingt aus dieser Stagnation auszubrechen, ist der im Jahre 2001 entstandene Otogirisou,
der zumindest in visueller Hinsicht das
Prädikat "innovativer Genrestreifen" durchaus für sich beanspruchen kann. Ähnlich wie The Blair Witch Project wurde der Film von
Regisseur Shimoyama Ten auf einem
digitalen Medium realisiert. Wo die Digicam dort aber ausschließlich dazu diente, die auf real getrimmte Wirkung der Handlung zu
unterstreichen, geht Shimoyama mit
Otogirisou in die entgegengesetzte Richtung. Sein Film ist konzeptionell in jeder Hinsicht wie ein Videospiel aufgebaut und
verbreitet dadurch einen überaus
unwirklichen Charakter. Formal präsentiert sich Otogirisou dabei als jederzeit durchdachter und höchst ansprechender
Genrebeitrag, der von der billigen Wirkung
sonstiger DTV-Produktionen meilenweit entfernt ist.
Der bereits angesprochenen Videospiel Thematik wird der Film in jeder Hinsicht untergeordnet. Das fängt damit an, daß die
verschiedenen Abschnitte der Geschichte
mit Texttafeln eingeleitet werden und endet bei der Suche nach verborgenen Räumen, die dann nach und nach erkundet werden.
Bei dieser Herangehensweise muß
man Shimoyama im Großen und Ganzen eine bestechende Umsetzung attestieren. Neben einer exzellenten Kameraführung,
manche Einstellungen und Fahrten wecken
Erinnerungen an vergangene Dario Argento Zeiten, ist es vor allem die Verwendung von Farben, die nicht selten völlig
überstilisiert eingesetzt werden und dem Film so
einen befremdlichen bisweilen gar surrealen Touch verleihen. Insgesamt ist das Repertoire an technischen Spielereien und
Gimmicks, mit denen der Regisseur hier zu
Werke geht, schon sehr beachtlich und dürfte schon allein dafür sorgen, daß Otogirisou zu keiner Zeit seine interessante Note
verliert.
Dieser gekonnt zelebrierte visuelle Hokuspokus sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Film inhaltlich in
durchweg konservativen, stellenweise schon
sehr banalen Bahnen verläuft. Auf der erzählerischen Ebene ist Otogirisou eigentlich nichts weiter als ein typischer Vertreter des
Haunted House Genres, der
weitestgehend frei von inhaltlichen Überraschungen und Wendungen bleibt. Dennoch ist es Shimoyama trotz dieser einfallslosen
Geschichte gelungen, die
atmosphärischen Möglichkeiten des alten Gemäuers voll und ganz auszuschöpfen. Schocktechnisch holt er, auch dank eines
exzellenten Sounddesigns, ein Optimum
an Effektivität aus dieser altbekannten Thematik heraus, so daß der Zuschauer mit einer Vielzahl von wirklich gruseligen und
unheimlichen Momenten konfrontiert wird,
die Otogirisou auch spannungstechnisch zu weiten Teilen überzeugen lassen.
Wohlwollend betrachtet rechtfertigt das eigenwillige Gesamtkonzept der Produktion sogar, das sagen wir mal, etwas merkwürdige
Finale, das durchaus in das
Videospielkonzept passen will. Nichtsdestotrotz erweist es sich aber letztendlich als der größte Schwachpunkte des Films, da die
doch sehr simple und auch nicht
gerade glaubwürdige Auflösung, die enorme Erwartungshaltung, die sich im bisherigen Verlauf beim Zuschauer angestaut hat,
einfach nicht mehr erfüllen kann.
Der für visuelle Experimente offene Genrefan sollte sich Otogirisou trotz diverser inhaltlicher Abstriche allerdings keinesfalls
entgehen lassen. Im Großen und Ganzen
einer der wenigen erfrischenden Einträge im japanischen Genrefilm der letzten Jahre.
(S.G.)
- Der Ring Virus - Das neue Phantastische Kino aus Japan
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zur OTOGIRISOU Kritik auf THE
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