Der Ring Zyklus


Lässt man einmal wenige Achtungserfolge wie die populäre GAKKOU NO KAIDAN Reihe beiseite, dann fristete das japanische Horrorkino, vom rein kommerziellen Standpunkt aus betrachtet, in den beiden vergangenen Jahrzehnten ein unbedeutendes Nischendasein. Am 31.01.1998 sollte sich das allerdings schlagartig ändern, als Nakata Hideos THE RING wie ein Donnerhall an den Kinokassen einschlug. Dieser Film war der Startschuss für einen regelrechten Boom neuer Genreproduktionen, die in den nächsten Jahren zuhauf auf den Kinoleinwänden zu sehen waren.

Dabei war Nakatas THE RING nicht einmal die erste Verfilmung, des gleichnamigen Romans von Koji Suzuki, eines von Japans erfolgreichsten Gruselschriftstellern. Bereits 1995 wurde dessen Buch unter dem Titel RING: KAZENBAN von Takigawa Chisui für das japanische Fernsehen adaptiert. Obwohl sich dessen Version sehr viel näher am Roman orientierte als Nakatas spätere Verfilmung, war das Endergebnis ein filmisches Desaster. Anstatt die stärken der Buchvorlage herauszuarbeiten, suchte der hemmungslos überforderte Takigawa sein Heil vorwiegend in sleazig angehauchten Sexszenen und lächerlichen Genreklischees, so dass RING: KAZENBAN höchstens als mittelmäßiger Trashstreifen durchgeht. Verantwortlich für das schwache Drehbuch zeigte sich damals der Genreschriftsteller und Regisseur George Iida Jouji, der mit RASEN (HK: SPIRAL) später auch die erste Fortsetzung von Nakatas Kinoversion inszenieren sollte.

Nachdem RING: KAZENBAN trotz seiner minderen Qualität recht erfolgreich über die Mattscheibe flimmerte, war es der auf Horrorstoffe spezialisierte Drehbuchautor Takahashi Hiroshi, der das große Potential der Story erkannte und daraus einen filmreifes Drehbuch fertigte. Für den Job des Regisseur brachte er bei den Produzenten den damals noch unbekannten Nakata Hideo ins Spiel, mit dem er schon bei dessen Debütwerk JOYUU REI (HK: DON´T LOOK UP) fruchtbar zusammengearbeitet hatte. Auch der Romanautor selbst war nach Sichtung dieses Films sehr angetan von dem Jungtalent, so dass er ihn schließlich persönlich darum bat, die Regie bei der Kinoadaption zu übernehmen. Der Rest ist mittlerweile Geschichte.

Als THE RING dann in den Kinos startete, übertraf der enorme Erfolg selbst die kühnsten Erwartungen seiner Macher und der in den Jahren zuvor eher stiefmütterlich behandelte klassische japanische Geisterfilm feierte nun plötzlich seine unerwartete Renaissance. Es hatte zwar auch vor Nakatas Film immer mal wieder Produktionen um die traditionellen Frauengeister gegeben, doch keine davon konnte auch nur einen annähernd so großen Erfolg für sich verbuchen.

Einer der wenigen Regisseure, der die Fahne des klassischen Genrefilms auch in den Jahren zuvor immer wieder hochgehalten hat, ist Tsuruta Norio. Er war es auch, der das daniederliegende Geistergenre nach langer Flaute, Anfang der Neunziger, wieder neu belebte und zumindest in kleineren Kreisen wieder hoffähig machte. Ein größeres Publikum konnte er mit seinen kostengünstig realisierten TV- und Videoproduktionen damals aber freilich nicht erreichen. Um das Genre wieder für eine breite Masse hoffähig zu machen, bedurfte es schon eines Films vom Format eines THE RING.

Aber was waren denn nun die Gründe, die ausgerechnet Nakatas Film so außergewöhnlich erfolgreich werden ließen? Obwohl seinerzeit auch Tsuruta Norio, in einem seiner zahlreichen Episodenfilme, die Geschichte um ein verfluchtes Videoband verarbeitet hatte, war es doch genau diese Zutat durch die THE RING den japanischen Geisterfilm in eine neue Ära führen sollte. Im Gegensatz zu den klassischen Produktionen, wo zumeist eine gehörnte Ehefrau direkt aus dem Totenreich zur Rache geblasen hatte, fanden sich Japans Gespenster urplötzlich im Technologiezeitalter wieder. Ihren Rachedurst befriedigten sie jetzt mittels moderner Massenmedien, ein Umstand, der dafür sorgte, dass sich nun auch die Multimedia besessene Jugend wieder für das traditionelle Gruselkino begeistern konnte und sie in Scharen in die Kinos lockte. So stellt das Videoband aus THE RING den Anfangspunkt eines neuen, zeitgemäßen Weges im japanischen Genrekino da, den beispielsweise Kurosawa Kyoshis KAIRO (PULSE) mit dem Internet, konsequent und nicht minder gelungenen, weiterbeschreiten sollte.

Letztendlich kann man den Erfolg von THE RING natürlich nicht nur dieser einen Idee zuschreiben. Es war vor allem auch die zurückhaltende Inszenierung Nakatas, die viel zur einmaligen Wirkung des Films beitrug. Zugunsten einer sich langsam verdichtenden Atmosphäre, verzichtete der Regisseur, ganz ähnlich wie bei den klassischen Vorbildern, auf effekthaschende Momente und jegliche Form der physischen Gewalt. Stattdessen funktioniert THE RING ganz allein durch seine interessante und sich quälend langsam entwickelnde Geschichte, die ihre Spannung stetig zu steigern vermag. Den Horror überläßt Nakata dabei ganz der Vorstellungskraft des Zuschauers, der von der schleichenden Erzählung immer mehr eingenommen wird. So entstand ein nahezu perfektes Szenario des Grauens, dass durch Sadakos Auftritt, sicherlich einer der schaurigsten Filmmomente seit vielen Jahren, einen denkwürdigen Abschluss findet.

Obwohl auch die Geldgeber diesen immensen Erfolg kaum vorausgeahnt hatten, waren sie sich des kommerziellen Potentiales von Koji Suzukis Romanen schon im Vorhinein bewusst. So ließen sie parallel zu THE RING gleich die Fortsetzung RASEN (HK: SPIRAL) von einem komplett anderen Team um Regisseur George Iida Jouji realisieren und brachten beide Filme dann am 31.08.1998 als Double Feature in die Kinos.

Diese ebenfalls auf einem Roman Kojis basierende Fortsetzung, konnte die hohen Erwartungen des Publikums allerdings nicht im Geringsten erfüllen. Im Schatten des übergroßen ersten Teils fand die Produktion kaum Beachtung und wird auch heute schnell außen vor gelassen, wenn von den Filmen des Ring Zyklus die Rede ist. Die ablehnende Haltung des Publikums gegenüber RASEN kommt aber nicht von ungefähr, geht der Film doch in eine völlig andere Richtung als THE RING und entfernt sich deutlich von dessen übernatürlichem Horror. Stattdessen versucht die Fortsetzung eine wissenschaftliche Erklärung für Sadakos Fluch zu finden. Die wenigen interessanten Aspekte der Geschichte verlieren sich dabei aber schnell in einer Ansammlung von pseudowissenschaftlichen Aussagen und drögen Dialogen, die RASEN unter der viel zu behäbigen Regie Iidas schnell zum großen Langeweiler werden lassen.

Nakata Hideo, der sich ebenfalls enttäuscht von der Fortsetzung zeigte, entschloss sich dann ein Jahr darauf, sein eigenes Sequel zu inszenieren. Inhaltlich wieder sehr viel näher zu seinem Original erreicht RING 2 zwar nicht mehr dessen herausragende Qualität, doch handelt es sich auch bei diesem Film um einen erwachsenen und sehr effektiven Gruselstreifen, bei dem der Regisseur erneut alle Register seines Könnens zog. Dank einiger geschickter Handlungskniffe des Drehbuchautoren Takahashi Hiroshi wurde die Geschichte um das verfluchte Videotape dabei konsequent weitergesponnen und das Ring Universum um einige interessante Details um Sadakos tödliche Vergangenheit erweitert.

Finanziell avancierte der Film dann noch zu einem größeren Erfolg als der erste Teil, so dass die Produzenten schnell darauf drängten, die Serie in eine weitere Runde zu schicken. Die nunmehr vierte Produktion, RING 0: BIRTHDAY, wurde dann als Prequel zu THE RING angelegt, bei dem die Vorgeschichte Sadakos bis hin zu ihrem tragischen Tod erzählt werden sollte. Als Regisseur für das Projekt war zunächst wieder Nakata Hideo vorgesehen, der das Angebot aber ausschlug. Er entschied sich stattdessen den märchenhaften SLEEPING BRIDE zu inszenieren, mit dem er sich von seinem Image als Spezi für Horrorstoffe lösen wollte. So stand RING 0: BIRTHDAY zunächst ohne Regisseur da, bis von Nakata und dessen Stammdrehbuchautor Takahashi der Name Tsuruta Norio ins Spiel gebracht wurde. Auf grund dessen ausgiebiger Erfahrung im Horrorsektor ließen sich dann auch die Studioverantwortlichen schnell von den Qualitäten des Regisseurs überzeugen, so dass der Realisierung des Projekts nichts mehr im Wege stand.

Als der Streifen dann am 22.01.2000 in den Kinos anlief, machte sich aber schnell allgemeine Ernüchterung breit, denn ganz ähnlich wie zuvor George Iida Jouji, gelang es auch Tsuruta nicht, aus dem Schatten von Nakata Hideo zu treten und einen qualitativ ähnlich hochwertigen Film, wie dessen beide Ausflüge in THE RING Gefilde, abzuliefern. Von der Grundidee her ist RING 0: BIRTHDAY zwar nicht gänzlich uninteressant, doch scheitert der Film letzten Endes an einem einfallslosen Drehbuch, das sich weitestgehend im Bereich eines drögen Liebesdramas bewegt und nur wenig handfesten Horror zu bieten hat. Aus der unheimlichen Sadako der Vorgänger, wird hier ein wunderschönes und bemitleidenswertes menschliches Wesen, das der Figur im Nachhinein einiges von ihrem Schrecken nimmt. Diesen gravierenden inhaltlichen Schwächen, konnte auch Tsuruta Norio mit seiner kompetenten Inszenierung nicht viel entgegensetzen, so dass sich RING 0: BIRTHDAY kaum als würdiger Abschluss der Reihe bezeichnen läßt.

Die Verantwortlichen suchten aber auch abseits der Kinofilme nach Möglichkeiten Kapital aus dem erfolgreichen Thema zu schlagen. Neben diversen Merchandising-Artikeln, erfolgreichen Manga Comics und Büchern, die sich mit dem Mythos Sadako beschäftigten, wurden THE RING sowie RASEN nochmals für das japanische Fernsehen aufbereitet. Die Folge waren zwei im Billiglook daherkommende TV-Serien, die dem Thema kaum etwas Neues abgewinnen konnten und insgesamt wenig Sehenswertes zu bieten hatten.

 


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