Die Folgen
Nach dem riesigen Erfolg, den THE RING für sich verbuchen konnte, war es nicht weiter verwunderlich, dass auch
die anderen Produktionsfirmen etwas vom großen Kuchen abhaben und fleißig an der florierenden Ware Horror mitverdienen wollten. So zogen die folgenden Jahre
eine unvergleichliche Welle von neuen Genreproduktionen nach sich, die für den TV-, Video- oder Kinomarkt zumeist im Schnellverfahren heruntergekurbelt wurden.
Diese qualitativ sehr zweifelhafte Fließbandarbeit führte letztendlich zu einer ganzen Reihe weniger gelungener oder gerade mal durchschnittlicher Produktionen wie
dem langweiligen ISOLA: TAJUU JINKAKU SHOUJO oder dem krude inszenierten Sadistenspektakel IKIJIGOKU (LIVING HELL).
Neben einer Vielzahl von weniger erquickenden Werken entstand aber auch die ein oder andere Produktion, die sich qualitativ kaum vor dem großen THE RING zu verstecken brauchte. Eines der besten Beispiele dafür ist KOUREI (SEANCE) von Kurosawa Kyoshi, der spätestens seit seinem überaus gelungen CURE auch außerhalb Japans hohes Ansehen genießt. Sein Film gehört sicherlich zu den besten und gruseligsten japanischen Geisterfilmen
der letzten Jahre. Außergewöhnlich ist dabei vor allem die Tatsache, dass es sich bei KOUREI (SEANCE) um
eine preisgünstig hergestellte Fernsehproduktion handelt. Trotz karger Ausstattung und einer unübersehbaren DV-Optik bringt der Film dank glaubwürdiger, sehr gut
gespielter Charaktere und einer außergewöhnlichen Geschichte, alle Eigenschaften eines eigenständigen und mitunter auch verdammt gruseligen Genrebeitrages mit.
Ein weiterer Höhepunkte der grassierenden Horrorwelle war 1999 ohne Zweifel der von Nagasaki Shunichi liebevoll inszenierte SHIKOKU, der neben wunderschönen Bildern auch durch seine tolle Atmosphäre und einige mitunter richtig gruselige Momente glänzen konnte.
Diese mit einem eher bedächtigen Erzählrhythmus ausgestattete Verfilmung eines Romans der populären Horrorautorin Bando Masako, liegt insgesamt weit über dem
Genredurchschnitt und bietet überaus gelungene Unterhaltung, die man sich nicht entgehen lassen sollte.
Obwohl nicht annähernd so gelungen wie die beiden eben genannten Produktionen, erweist sich auch ANOTHER HEAVEN aus der Hand von George Iida Jouji als durchaus passabler Genrefilm. Nach seinem RASEN Desaster konnte sich der Regisseur deutlich steigern und lieferte hier, trotz einiger inhaltlicher Patzer, einen schwarzhumorig
angehauchten Film, der mit seinen pointiert gesetzten Schock- und Digitaleffekten, für ein eingefleischtes Genrepublikum durchaus zu empfehlen ist. In Japan lief ANOTHER HEAVEN dann auch ziemlich erfolgreich in den Kinos, so dass er gleich eine ganze
TV-Serie nach sich zog, für die sich ebenfalls Iida verantwortlich zeigte.
Abseits der meist sehr kommerziellen Produktionen steht ein anderes Werk, dass man ohne wenn und aber als einen der verstörendsten Schocker der letzten Jahre
bezeichnen muss. Eigentlich mehr Thriller als Horrorfilm ist hier die Rede von Miike Takeshis AUDITION.
Obgleich vielen seiner vorangegangen Arbeiten phantastische und besonders Einflüsse des Splatterfilms nicht fremd waren, ließ Miike seiner zügellosen Phantasie bis
dato vor allem in actiongeladeneren Produktionen freien Lauf. Mit AUDITION bewegte er sich nun erstmals
auf dem Terrain des Horrorthrillers und machte dabei eine außerordentlich gute Figur.
Trotz einer zum Ende hin aufkommenden überrumpelnden Härte ist AUDITION wesentlich mehr, als eines
dieser typischen Splatter- und Gewaltfeste, für die der Regisseur vor allem außerhalb Japans so geschätzt wird. Im Gegensatz zum überwiegenden Teil seiner Arbeiten,
die ihren dürftigen Inhalt nur zu häufig hinter einer Anhäufung zügelloser Gewaltorgien und absurder Ideen zu verstecken suchen, kann Miike hier auch auf inhaltlicher
Ebene überzeugen. Dem Drehbuch aus der Hand von TOKYO
DECADENCE Schöpfer Murakami Ryu geht der comichafte Touch so vieler Produktionen des
Regisseurs vollständig ab und es erweist sich als ungewöhnlich komplex und verstörend. So kann AUDITION inhaltlich wie formal absolut überzeugen und er stellt letztendlich nicht nur ein Highlight im Schaffen von Miike dar, sondern auch eines
im japanischen Genrefilm der letzten Jahre.
Es war aber nicht ausschließlich die japanische Filmindustrie, die von dem grassierenden Virus Namens THE
RING infiziert wurde. Auch durch die Filmlandschaften der Nachbarländern ging plötzlich ein Ruck und überall wurden nun, mal mehr, mal weniger erfolgreich,
Horrorfilme produziert. In Südkorea, wo Nakatas Film ebenfalls erfolgreich in den Kinos lief, wurde mit gehobenem finanziellen Aufwand gleich ein offizielles Remake von
THE RING realisiert. RING VIRUS, der von den
Japanern koproduziert wurde, kam aber nicht über den Status eines aalglatten und seelenlosen Hochglanzproduktes hinaus. Dem in Sachen Charme und Atmosphäre
himmelweit überlegenen Original konnte der Film so nicht mal ansatzweise das Wasser reichen.
Schon deutlich besser nimmt sich dagegen der südkoreanische Genrebeitrag PHONE aus. Obwohl sich die
Produktion inhaltlich auch als recht dreister THE RING Klon entpuppt, ist sie doch weitaus unterhaltsamer
ausgefallen, als RING VIRUS. Nach dem schwachen NIGHTMARE (GAWI), gelang Regisseur An Byeong Ki mit seinem zweiten Genrestreifen, ein über weite Strecken spannender Horrorfilm, der
zwar kaum Innovationspreise für sich beanspruchen kann, dank gelegentlich aufkeimender Atmosphäre und einigen wirkungsvollen Schocksequenzen, dennoch als
durchaus sehenswert einzustufen ist.
In den Jahren davor waren auch in Südkorea vorwiegend Filme mit Slasherthematik angesagt, die merklich im Fahrwasser von amerikanischen Erfolgsfilmen wie I
KNOW WHAT YOU DID LAST SUMMER entstanden sind. Nach solch unterdurchschnittlichen Werken wie BLOODY BEACH, THE RECORD und dem eben
erwähnten NIGHTMARE (GAWI),
sorgte der Erfolg von PHONE im Jahr 2003 aber für eine kleine Welle an neuen atmosphärischen
Geisterfilmen. In einem Zeitraum von gerade mal zwölf Monaten erblickten mit UNBORN BUT FORGOTTEN, UNINVITED und
A TALE OF TWO SISTERS gleich drei
aufwändig produzierte Filme mit Gänsehautfaktor das Licht der Welt, von denen letztgenannter unzweifelhaft die eigenständigste Arbeit darstellt. Der von QUIET FAMILY und FOUL KING Regisseur Kim
Ji Woon fast schon kammerspielartig, aber überaus elegant inszenierte Film, bietet Genrekino der anspruchsvollen Sorte, angesiedelt irgendwo zwischen tragischem
Familiendrama und nägelbeißend spannendem Geisterhorror.
Weniger überraschend dürfte die Tatsache sein, dass man auch in Hongkong keinerlei Skrupel verspürte, das erfolgversprechende Geisterthema in heimischen
Produktionen auszuschlachten. Im Gegensatz zu den japanischen und koreanischen Nachzüglern, denen man oftmals einen gewissen Unterhaltungswert und vor allem
eine formale Kompetenz nicht absprechen konnte, war hier allerdings eine Flut von ganz erbärmlichen Billigproduktionen die Folge. Von all diesen unzähligen
Ausstößen, seinen hier nur mal Billy Tangs DIAL D FOR DEMONS oder der noch bitterere A WICKED GHOST und sein beiden Nachfolger A WICKED GHOST 2 - THE FEAR und A WICKED GHOST 3 - THE
POSSESSION, als abschreckende Beispiele aufgeführt. Im Jahr 2002 gelang es dann aber auch den Chinesen mit THE EYE und INNER SENSES gleich zwei rundum gelungene Einträge ins
Genre abzuliefern, die man jedem Anhänger des gepflegten Gruselns nur an Herz legen kann.
Langsam aber sicher wurde man nun auch in Hollywood aufmerksam auf Nippons filmischen Terror, da den Scouts der amerikanischen Produktionsgesellschaften der
große Wirbel der in ganz Asien um THE RING und Konsorten betrieben wurde, selbstverständlich nicht
entgangen war. Steven Spielbergs Firma Dreamworks erwarb so schließlich die Rechte an Nakatas THE RING
und brachte ihr Remake im Jahr 2002 weltweit mit beachtlichem Erfolg in die Kinos. Die Folge war ein regelrechter Run auf die Verwertungsrechte asiatischer Filme, der
bis heute nicht abgeklungen ist und bei einigen asiatischen Rechteinhabern für dicke Geldbeutel sorgte. Ganz besonders die Filme Nakata Hideos haben es den
amerikanischen Produzenten dabei angetan. Die Remakerechte seines Kinodebüts JOYUU REI (HK:
DON´T LOOK UP) wurden ebenso verkauft, wie die seines gewagten Thrillers CHAOS, der demnächst mit
Robert de Niro in der Hauptrolle neu verfilmt werden wird. Noch vor dessen japanischen Kinostart hat man sich in den USA darüber hinaus die Remake Rechte von
Nakatas jüngstem Werk DARK WATER gesichert.
Die zahlreichen Rechteeinkäufe und DVD-Veröffentlichungen der letzten Monate, sind ein eindeutiger Beweis dafür, dass sich das japanische Horrorkino in Europa und
den USA momentan großer Beliebtheit erfreut. In seiner Heimat dagegen, hat sich die 1998 ausgelöste Horrorwelle in qualitativer wie kommerzieller Hinsicht längst
totgelaufen. Hier und da werden zwar noch vereinzelt Werke für die große Leinwand produziert, doch der Großteil der Genrefilme findet seine Veröffentlichung wieder
direkt auf Video oder wird den TV-Stationen überlassen.
Wirft man einmal einen Blick auf die Filme neueren Datums, muss man einfach feststellen, dass sich das japanische Horrorkino schon seit einigen Jahren in einer
Sackgasse befindet. Selbst die wenigen gelungenen Produktionen, wie beispielsweise Nakata Hideos schwerunterhaltsamer THE RING Nachfolger DARK WATER bringen das Genre kaum weiter. Auch fünf
Jahre nach seinem Entstehen, ist der Einfluss von THE RING noch viel zu dominant, als dass sich eine neue
Richtung hätte herauskristallisieren können. Den aktuellen Produktionen mangelt es deutlich an innovativen Ideen, durch die man das Genre in eine neue Richtung
lenken und ihm einen neuerlichen Schub verleihen könnte.
Bestes Beispiel dafür ist sicherlich der eine Film, der genau dies alles ändern und das Genre aus seiner Stagnation führen sollte. Die Rede ist von Takashi Shimizus mit
großen Vorschußlorbeeren bedachten JU-ON (Int.: THE GRUDGE), der im Januar 2003 in den japanischen
Kinos gestartet ist. Trotz bis dato eher wenig begeisternder Arbeiten des Regisseurs, wie dem eher müden TOMIE Sequel RE-BIRTH, gilt Shimizu in Japan als die große Zukunft des
Horrorkinos und so wartete man mit Spannung auf das Remake seiner eigenen Videoproduktion.
Doch wie so oft, war auch hier eher der Wunsch Vater des Gedanken, denn von einem wirklichen Genrehighlight ist JU-ON doch noch sehr weit entfernt. Dank seines Gespürs für effektiv inszenierte Schockmomente kann Shimizus zweite Kinoarbeit zwar durch
eine Vielzahl gruseliger Momente glänzen, doch auf der inhaltlichen Seite entpuppt sich sein Film als erstaunlich einfallslos und nichtssagend. Die wirre Geschichte
präsentiert sich dabei als eine müde Aneinanderreihung einzelner Episoden, die der Regisseur und Autor zum Finale nur mehr schlecht als recht zusammenführen kann.
Dem japanischen Publikum war dieses inhaltliche Durcheinander aber freilich egal und so sorgte es dafür, dass JU-ON mit beachtlichem Erfolg in den Kinos lief. Inzwischen hat bereits die wiederum von Shimizu inszenierte Fortsetzung ihren Einzug in die
japanischen Lichtspielhäuser gehalten und der Regisseur wird auch derjenige sein, der in Hollywood gleich das nächste Remake seines eigenen Filmes für ein
internationales Publikum inszenieren wird. Produzent ist dabei niemand geringeres als Genreikone Sam Raimi.
JU-ON steht einfach exemplarisch für eine ganze Reihe von Filmen aus den letzten zwei drei Jahren, von
denen kaum einer die in ihn gesteckten Erwartungen erfüllen konnte. Leider konnten in dieser Zeitspanne nur die wenigsten Produktionen durch eine hohe Qualität von
sich reden machen, so dass man sicher davon ausgehen kann, dass bis zum nächsten Hoch des japanische Horrorfilms noch einige Zeit ins Land ziehen wird.
Trotzdem
braucht wohl niemanden Bange sein, denn auch in Zukunft wird uns das Genrekino Made in Nippon zweifellos den ein oder anderen schaurigenschönen bzw.
schockierenden Moment bescheren.
Sascha Garthof
(Stand: Sommer 2002)
(Quellen: Jürgen Fichtinger (Cine Asia Nr. 2), Japanese Horror Movie Database, Pete Tombs (The Guardian), Rapid Eye Movies, Alexis Glass (KFCCinema), Asian
Horror Encyclopedia)
Ein spezieller Dank geht an Tsuruta Norio.
zurück
index
weiter